9.4.16
Würde das Grundeinkommen den Sozialstaat zerstören?
Geht es BefürworterInnen des
Grundeinkommens um die Zerstörung des Sozialstaates? Und ist die
Forderung nach einem Grundeinkommen tatsächlich unrealistisch? Karl
Reitter antwortet auf einen Artikel von Markus Marterbauer in der Wiener
Wochenzeitung Falter. Eine Antwort auf Reitter wird folgen.
Unter dem Titel „Grundeinkommen statt
Sozialstaat“ kritisiert Markus Marterbauer im Falter vom 3. Februar
vehement das Grundeinkommen. Das geplante Grundeinkommensexperiment in
Finnland würde den wahren Charakter dieses Konzepts erweisen: Es ginge
um die Zerstörung des Sozialstaates
im Geiste Hayeks und des Neoliberalismus – so Marterbauer, um dann
sofort auf die Situation in Österreich zu sprechen zu kommen. 80
Milliarden betragen die Sozialausgaben hierzulande. Würde diese Summe
umgeschichtet, wäre der Sozialstaat erledigt, statt dessen gäbe es ein
Grundeinkommen in der Höhe von etwa 800 Euro pro Monat, was zwar
einzelne soziale Gruppen begünstigen, die „breite Mittelschicht“ aber
hart treffen würde. Wieso es gerade die breite Mittelschicht ökonomisch
durchbeuteln würde, wenn jeden Monat bedingungslos 800 Euro pro Person
zusätzlich aufs Konto kämen, kann ich zwar nicht nachvollziehen. Aber
wenn Marterbauer das Grundeinkommen als Hebel der Zerstörung des
Sozialstaates bezeichnet, so kann Zerstörung doch nur eines bedeuten:
massive Senkung der Kosten. Dies ist ja das erklärte Ziel neoliberaler
Vordenker: der Sozialstaat käme uns zu teuer, also weg damit.
Entweder Grundeinkommen oder Sozialstaat?
Marterbauers Darstellung suggeriert, der
Staat könne Steuergelder entweder in ein Grundeinkommen oder in den
bestehenden Sozialstaat investieren. Abgesehen von der Frage, wo denn
dann die angestrebte Ersparnis bliebe, entspricht es nicht den
Tatsachen, dass es sich bei den 80 Milliarden Euro Sozialtransfers
durchgehend um Steuergelder handelt. Das österreichische Bundesbudget
beträgt rund 90 Milliarden, werden also in etwa 89 Prozent für
Sozialausgaben ausgegeben? Selbstverständlich nicht. Der Großteil der
Sozialausgaben wird direkt aus den Beiträgen zur Sozialversicherung
finanziert. Bund, Länder und Gemeinden beteiligen sich mit etwa 35 Prozent und zahlen rund 28 Milliarden Euro in den Topf ein.
Der Großteil der Sozialausgaben, also 52 Milliarden, wird aus der
Pensionsversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Kranken- und
Unfallversicherung bezahlt.
Nehmen wir nun den fiktiven Fall an,
eine rabiate neoliberale Regierung würde alle Sozialtransfers von einem
Tag auf den anderen streichen. Erspart sich diese Regierung dann
Ausgaben in der Höhe von 80 Milliarden, wie Marterbauer suggeriert?
Keineswegs, sie würde sich ein Drittel, also in etwa 28 Milliarden,
ersparen. Werden die staatlichen Sozialversicherungsträger liquidiert,
dann gibt es auch keine Einnahmen aus den Sozialversicherungsbeiträgen
mehr! Auf diese Tatsache kommt Marterbauer mit keinem Wort zu sprechen.
Wenn wir die 28 Milliarden Steuergelder, die in die Sozialausgaben
fließen, durch die gerundete EinwohnerInnenzahl Österreichs (8,5
Millionen Menschen) und durch zwölf Monate dividieren, dann käme ein
Pseudogrundeinkommen von 275 Euro monatlich heraus. Bei dieser Höhe
hätte sich der Staat noch keinen Cent Sozialtransfers erspart, obwohl
sämtliche Sozialausgaben gestrichen wären. Also keine Pensionen, keine
Leistungen aus der Krankenversicherung, kein Arbeitslosengeld, keine
Studienbeihilfen, keine Mindestsicherung usw. mehr. Stellen wir uns das
einmal realistisch vor: Die Pensionsversicherungsanstalten, die
Krankenkassen, das AMS, die Sozialämter, alles wird aufgelöst und
stillgelegt, dafür werden 275 Euro bedingungslos monatlich überwiesen.
Das soll politisch durchsetzbar sein? Das soll der Königsweg des
Neoliberalismus sein, den Sozialstaat zu zerschlagen?
Das Grundeinkommen als unrealistische Forderung?
Ein Blick auf die europäische Realität
zeigt, dass es ganz anders läuft. Die bestehenden Sozialtransfers werden
gekürzt und an immer mehr Bedingungen und Auflagen gebunden. Von
Bedingungslosigkeit, ein ganz wichtiges Kriterium für das
Grundeinkommen, weit und breit keine Spur. Marterbauer, im Glashaus
sitzend, wirft mit dem Vorwurf „unrealistisch“ gegen die Konzeption des
Grundeinkommens, die selbstverständlich Sozialausgaben wie die Kranken-
und Unfallversicherung mit einschließt. Unrealistisch ist hingegen jene
politische Orientierung, der sich Marterbauer verpflichtet fühlt. Seit
über 30 Jahren vermögen es europäische Sozialdemokratie und ihre
Gewerkschaften nicht, den neoliberalen Angriff zu stoppen. Reallohnverluste,
Aushebelung von ArbeiterInnenrechten, Anhebung der
Pensionsantrittsalter, Ausweitung von Niedriglohnsektoren und nicht
zuletzt massive Lohnsubventionen für Unternehmen, die hilflose
Lösung gegen die Massenarbeitslosigkeit – all das soll nun in den
nächsten Jahren mit einem „Hände weg vom Sozialstaat“ ins Gegenteil
verkehrt werden können? Jetzt plötzlich soll diese Entwicklung durch
eine Sozialdemokratie umgedreht werden, die keinen Finger rührte, als
die EU Kommission, die EZB und der IWF Griechenland schamlos erpressten?
Ich bin wahrlich kein Pessimist, aber zu
glauben, dass die defensive Losung „verteidigen wir den Sozialstaat“
jetzt plötzlich, nach dreißig, vierzig Jahren, greifen würde, das ist
nicht bloß blauäugig und naiv, das ist desorientierend und blockierend.
Entweder können wir das Ruder mit der offensiven Forderung nach dem
bedingungslosen Grundeinkommen herumreißen, oder der Sozialstaat der
1970er Jahre, von dem Marterbauer noch immer träumt, ist rettungslos
verloren.
Karl Reitter ist Privatdozent für Philosophie und Mitglied des Netzwerks Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt.
Mehr
Kommentare:
Für die AK steht viel auf dem Spiel: Sie würde ihr Hauptargument
verlieren, dass die "Kapitalisten" die Arbeitnehmer ausbeuten und
da nur die AK helfen könne.
Ein Grundeinkommen würde das aktuelle ODER - Modell (entweder
beschäftigt ODER arbeitslos) in ein UND - Modell verwandeln, weil
dann ein Erwerbseinkommen immer hinzukommt.
Allerdings ist dann der Kollektivlohn geringer, weil ein Teil des
Lebensunterhalts bereits vom GE gedeckt wird. Das verringert
die Einnahmen der AK, die Anteile am Erwerbseinkommen als
ihr Einkommen einnimmt.
Eine detailliertere Darstellung auf: www.nachhaltigkeitskonzept.eu
(/ Konzept / Geld) zeigt die verpflichtende Antwort (Nachhaltiges
Einkommensmodell) auf das aktuelle Auslaufmodell. Mit dieser
Antwort können gleich 5 Formen der Arbeitslosigkeit reduziert werden!
Kommentare:
Für die AK steht viel auf dem Spiel: Sie würde ihr Hauptargument
verlieren, dass die "Kapitalisten" die Arbeitnehmer ausbeuten und
da nur die AK helfen könne.
Ein Grundeinkommen würde das aktuelle ODER - Modell (entweder
beschäftigt ODER arbeitslos) in ein UND - Modell verwandeln, weil
dann ein Erwerbseinkommen immer hinzukommt.
Allerdings ist dann der Kollektivlohn geringer, weil ein Teil des
Lebensunterhalts bereits vom GE gedeckt wird. Das verringert
die Einnahmen der AK, die Anteile am Erwerbseinkommen als
ihr Einkommen einnimmt.
Eine detailliertere Darstellung auf: www.nachhaltigkeitskonzept.eu
(/ Konzept / Geld) zeigt die verpflichtende Antwort (Nachhaltiges
Einkommensmodell) auf das aktuelle Auslaufmodell. Mit dieser
Antwort können gleich 5 Formen der Arbeitslosigkeit reduziert werden!
Rudolf Mletschnig ·
Universität Klagenfurt
Schmunzel,ein bGE kostet nun einmal nach
Friedman 0 Cent bei beliebigem Steuersatz und Freibetrag
Prokopfeinkommen ! Dabei wird das halbe bGE-Volumen von Oben nach Unten
umverteilt !
So wird KEIN Sozialstaat tangiert, es entfallen bei Steuersatz 50 % nur die Kosten für Grundsicherungen, halbe Staatsgehälter, halbe Renten und halbes Arbeitslosengeld ! D.h. die Öffentlichen Haushalte reduzieren sich um diese Summen, das bGE zahlt diese Einsparungen an alle aus !
Es wird immer vergessen, dass die Negative Einkommensteuer für bGE als Nullsumme, die Sozialabgaben und die Gütersteuern für den verbleibenden Staatshaushalt nacheinander ablaufende Steuern/Abgaben sind.
bGE und Sozialversicherugen tragen die restlichen Konsumsteuern immer mit !
Aber es ist bekannt, dass es Götz Werner und Daniel Häni NUR um die Zerstörung des Sozialstaates und Gewinnmaximierung durch Steuerfreiheit für Unternehmer geht
Juergen Rettel
So wird KEIN Sozialstaat tangiert, es entfallen bei Steuersatz 50 % nur die Kosten für Grundsicherungen, halbe Staatsgehälter, halbe Renten und halbes Arbeitslosengeld ! D.h. die Öffentlichen Haushalte reduzieren sich um diese Summen, das bGE zahlt diese Einsparungen an alle aus !
Es wird immer vergessen, dass die Negative Einkommensteuer für bGE als Nullsumme, die Sozialabgaben und die Gütersteuern für den verbleibenden Staatshaushalt nacheinander ablaufende Steuern/Abgaben sind.
bGE und Sozialversicherugen tragen die restlichen Konsumsteuern immer mit !
Aber es ist bekannt, dass es Götz Werner und Daniel Häni NUR um die Zerstörung des Sozialstaates und Gewinnmaximierung durch Steuerfreiheit für Unternehmer geht
Juergen Rettel