26.6.16
Die Nacht, die alles verändert
Das neue Jahr begann mit einem Schock: Raketenfeuer auf Menschen,
bandenmäßiger Raub, massenhafte sexuelle Gewalt gegen Frauen.
Verantwortliche, die schweigen – weil Flüchtlinge beteiligt waren? Was
passierte wirklich in Köln?
Eine Woche lang gab es die Wahrheit über
die Kölner Silvesternacht nur unterm Ladentisch. Stück für Stück kam sie
ans Licht, weil eingesetzte Polizisten zu reden begannen. Erst wurde,
was in dieser Nacht geschah, schlichtweg geleugnet. Am Neujahrsmorgen
ließ die Kölner Polizeispitze die Bevölkerung wissen, es sei wieder eine
tolle kölsche Nacht gewesen, genau wie in den Jahren zuvor:
"Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich."
Die
Polizei habe nur mal kurz den Bahnhofsvorplatz geräumt wegen Zündens
"pyrotechnischer Munition". "Trotz der ungeplanten Feierpause",
fantasierte Kölns Polizeiführung weiter, "gestaltete sich die
Einsatzlage entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen
Orten gut aufgestellt und präsent zeigte".
Kölner
und Auswärtige hatten die Nacht völlig anders erlebt. Was die
Polizeispitze eine "Feierpause" nannte, war zumal für Frauen eine
brutale, schockierende Nacht, erfüllt von wildem Raketenfeuer auf
Menschen, von bandenmäßigem Straßenraub und massenhafter sexueller
Gewalt durch nordafrikanische und arabische junge Männer. Die
Darstellung der Polizeispitze vom Neujahrsmorgen war einfach absurd –
Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers nahm sie zurück, beharrte aber
noch fünf Tage nach Silvester auf einer Pressekonferenz mit seiner
Oberbürgermeisterin: "Wir waren an dem Abend ordentlich aufgestellt."
Doch in internen Polizeiberichten stellt sich die Lage ganz anders dar.
Auch
in der Frage, wer eigentlich die Täter waren. Vor allem in diesem Punkt
war eine Woche lang die Devise: Wir wissen nichts, wir sagen nichts,
und wenn wir doch was sagen, spielen wir die Sache runter. Erst hieß es
aus dem Kölner Polizeipräsidium, über die Täter wisse man nichts. Als
dann 90 Anzeigen von Frauen wegen sexueller Belästigung eingingen
(mittlerweile sind es 379), war zu hören, das bedeute aber nicht
zwangsläufig, dass es auch so viele Tatverdächtige gebe. Komisch nur:
Obwohl man angeblich gar nichts über die Täter wusste, war sich Kölns
Oberbürgermeisterin Henriette Reker in einem Punkt ganz sicher:
Flüchtlinge waren es nicht. "Es gibt keinen Hinweis, dass es sich hier
um Menschen handelt, die hier in Köln Unterkunft als Flüchtlinge bezogen haben", erklärte sie auf der Pressekonferenz vom 5. Januar auf Nachfrage.
Das
konnte nicht stimmen. Polizeiberichte und Augenzeugen bestätigen das
genaue Gegenteil. Wieso all diese Ungereimtheiten, Viertelwahrheiten,
die angebliche Ahnungslosigkeit? Entweder die Spitzen von Stadt und
Polizei hatten tatsächlich keine Ahnung, was in der Silvesternacht los
war – oder sie wussten alles, wollten es aber nicht sagen.
Version
A ist sehr unwahrscheinlich, denn all die Polizeiberichte, auf die sich
diese Chronik stützt, muss zumindest Wolfgang Albers auf seinem
Schreibtisch gehabt haben. Version B ist viel plausibler – aber auch
erschreckender: Gab es etwa den politischen Willen, die Themen
Kriminalität und Flüchtlinge strikt zu trennen, egal wie verflochten sie
waren? Eine Rekonstruktion der Nacht von Köln.
1. Es braut sich was zusammen
Um
21 Uhr ist der Polizei klar, dass Ausschreitungen drohen. Viele Kölner
und auswärtige Gäste sind zum Feiern gekommen, doch da sind auch welche,
die offenbar anderes im Sinn haben. Laut einem Bericht der
Landespolizei teilt deren Polizeiführer "während der Einsatzbesprechung"
mit, dass "sich gegen 21 Uhr bereits etwa 400 ,Flüchtlinge' im Bereich
des Bahnhofsvorplatzes aufgehalten haben". Sie seien "erheblich
alkoholisiert" und würden "unter massiver Verwendung von
Feuerwerkskörpern feiern". Man entschließt sich, andernorts Polizei
abzuziehen und zum Dom zu beordern.
Rückblickend
sagt Michael Temme, Leitender Kölner Polizeidirektor und rechte Hand
von Polizeipräsident Wolfgang Albers, der "Welt am Sonntag": "Wir haben
sofort reagiert, nachdem sich um 21 Uhr eine Personengruppe auf dem
Bahnhofsvorplatz gebildet hatte. Konkret haben wir alle Beamten, die für
diesen Abend für den Bereich Innenstadt eingeteilt waren und auf die
drei Standorte Brücken, Ringe und Altstadt verteilt waren, am Bahnhof
zusammengezogen. Es waren ab diesem Zeitpunkt also 143 Polizeibeamte am
Bahnhof im Einsatz."
Zusätzlich
befinden sich 70 Bundespolizisten im Hauptbahnhof, für dessen Sicherheit
sie zuständig sind. Es könnten mehr sein, wäre nicht ein Teil der
Bundespolizei, bedingt durch die Flüchtlingskrise, für die
Grenzsicherung im Süden des Landes abgestellt. Die am Vorplatz des Doms
abgestellten Fahrzeuge der Beamten werden sogleich mit Böllern beworfen.
So ernst ist die Lage inzwischen, dass die Kräfte "den ganzen Einsatz
in schwerer Schutzausstattung und behelmt" absolvieren, berichtet der
Bundespolizist weiter – also von 21.45 Uhr abends bis 7.30 Uhr morgens.
Fast zehn Stunden.
2. Es nimmt seinen Lauf
Gegen
22 Uhr steigt Elsa in Bonn mit zwei Freundinnen in den Regionalexpress
zum Kölner Hauptbahnhof, um ihren Bruder zu besuchen, mit ihm wollen die
drei jungen Frauen eine Silvesterparty besuchen. Elsa ist 23, sie
studiert Politik in Bonn, ihr Vater ist Schwede. Gegen 22.30 Uhr kommen
sie an, Elsas Bruder holt die drei ab, noch im Bahnhof geraten sie in
eine große Menschenmenge.
"Ich sah
viele arabische junge Männer", erzählt Elsa. "Dann spürte ich die erste
Hand an meinem Hintern. Erst leicht, dann wurde es stärker, heftiger,
drängender. Plötzlich waren es viele Hände. Ich wurde total sauer,
gleichzeitig fühlte ich mich vollkommen hilflos, machtlos. Die Männer
vermittelten nicht im Geringsten das Gefühl, dass sie etwas Verbotenes
tun. Das Gerangel war so groß, man konnte sich kaum bewegen. Da kamen
Hände, und dann waren sie wieder weg. Um ehrlich zu sein, wirkten die
Männer wie Flüchtlinge. Sie wirkten angetrunken, nicht so heftig, dass
sie taumelten, aber einige hatten rote Augen. Die waren in einer
aufgeheizten Stimmung, so nach dem Motto, ha, wow, was passiert hier
jetzt. So etwas habe ich noch nie erlebt. So stelle ich mir
Gewaltexzesse im Ausland vor. Die Stimmung war unglaublich hart und
geladen. Mein Bruder schaffte es, zu mir durchzukommen, er zog mich raus
aus der Menge. Wir schafften es zum Ausgang. Wir haben lange gebraucht,
um uns erst mal wieder zu fangen und zu schütteln. Im Nachhinein kann
ich nur sagen: Ich werde nie wieder in Köln Silvester feiern."
Eine
andere junge Frau, Sabrina F., fährt von Osnabrück nach Köln, um zu
feiern. Die 20-jährige Arzthelferin denkt, dass die Übergriffe
organisiert waren. In der "Osnabrücker Zeitung" hat sie ihre Erlebnisse
geschildert. "Die haben gezielt Mobs gebildet und Frauen angegriffen.
Durch die unsittlichen Berührungen wollten sie an die Handtaschen
kommen." 500 bis 900 Leute, schätzt sie, seien beteiligt gewesen, viele
betrunken oder unter Drogen. Sie berichtet, wie die Polizei, von "ganz
großen, geröteten Augen". Sie gingen zum Dom. "Und plötzlich hatte ich
eine Hand auf meinem Arsch." Sie sei "im Intimbereich" berührt worden
"und an den Brüsten", und "nicht nur berührt, sondern regelrecht
angepackt. Ich musste meine Freundin beruhigen, die war komplett fertig
mit der Welt." Dann seien die jungen Frauen durch Köln geirrt, völlig
außer sich. Freunde hätten einen Kordon um sie gebildet.
Einen
schleuderte diese Nacht in eine unverhoffte Bekanntheit: Ivan Jurcevic,
der an dem Abend als Türsteher im Fünfsternehotel "Excelsior Ernst" am
Bahnhof arbeitete. Jurcevic war von dem, was er sah, derart geschockt,
dass er ein Video mit seinen Bericht von dieser Nacht auf seine
Facebook-Seite stellte. In zwei Tagen wurde es fast vier Millionen Mal
geklickt. Der erfolgreiche Kickboxer aus Köln schildert Szenen wie im
Bürgerkrieg: eine Messerstecherei. Männer, die ihn angegriffen hätten
und die er habe "wegklatschen" müssen. Männer, die einem am Boden
Liegenden den Kopf eingeschlagen hätten. Weinende Mädchen, die sich zu
ihm flüchteten. Und die ihnen das angetan hätten, seien die Leute, die
man vor Wochen mit Teddybären am Bahnhof begrüßt habe.
Noch
eine Woche nach Silvester wirkt Jurcevic, als könne er gar nicht
aufhören, sich die Augen zu reiben angesichts seiner jähen Berühmtheit:
"Mich haben Journalisten aus Frankreich angeschrieben, aus Österreich,
Fernsehsender, Zeitungsredaktionen – ich komme überhaupt nicht nach,
die alle zurückzurufen." Dazu all die, die ihm über Facebook geschrieben
und gedankt hätten dafür, dass er endlich mal ausgesprochen habe, was
viele dächten. Und was war das?
Jurcevic
sagt, wie viele habe auch er immer gemeint, solche brutalen Szenen
"seien rechte Propaganda – aber das hier war eben echt". Am schlimmsten
sei für ihn etwas gewesen, das er im Facebook-Video gar nicht erwähnt
hat: dass der Mob aus jungen Männern gezielt Raketen auf den Dom
abgeschossen und die Menge bei jedem Treffer applaudiert habe. "Da war
einfach gar kein Respekt da, weder vor dem Dom noch vor den Frauen noch
vor den Polizisten."
Gegen 22.45 Uhr
erreichte das Chaos einen Höhepunkt. Das interne Einsatzprotokoll eines
leitenden Bundespolizisten, das der "Welt am Sonntag" vorliegt, gibt
zahlreiche Details und Berichte einzelner Beamter wieder. Besonders
erschütternd ist das Bild der Verzweiflung der Opfer der sexuellen
Übergriffe. Schon bei der Anfahrt seien die Einsatzkräfte "von
aufgeregten Bürgern mit weinenden und unter Schock stehenden Kindern
über die Zustände im und um den Bahnhof informiert" worden. Am Vorplatz
und an der Domtreppe hätten sich "einige Tausend meist männliche
Personen mit Migrationshintergrund" befunden, die Feuerwerkskörper und
Flaschen wahllos in die Menschen feuerten.
Aufenthaltstitel
seien vor den Augen der Beamten zerrissen und so kommentiert worden:
"Ihr könnt mir nix, hole mir morgen einen neuen." Hilferufe waren zu
hören – die Beamten wurden durch enge Personenringe daran gehindert, zu
den Betroffenen zu gelangen. Ein Mann wird so zitiert: "Ich bin Syrer,
ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen."
Insgesamt zeichnet der Bundespolizist ein düsteres Bild der
Silvesternacht. Die Polizei traf auf eine Respektlosigkeit, wie er sie
"in seinen 29 Dienstjahren noch nicht erlebt" habe. Die Gesamtsituation
beschrieb er als "chaotisch und beschämend".
Inzwischen
ist das ganze Ausmaß der Gewalt deutlich. Das nordrhein-westfälische
Landeskriminalamt fasst sie in einem Rundschreiben an andere LKAs so
zusammen: "In der Silvesternacht wurden unzählige Menschen, insbesondere
Frauen, Opfer von massiven sexuellen Übergriffen. Frauen wurden von
ihren Gruppen/Freunden getrennt, durch ?zig Nafri?s (Kürzel für
nordafrikanische Intensivtäter, die Fragezeichen stehen für nicht
abgeschlossene Ermittlungen, Anm. d. Red.) umzingelt, von allen Seiten
begrapscht, in mehreren Fällen kam es auch zu brutalen sexuellen
Nötigungen und Vergewaltigungen, die Täter stießen Opfern mit Fingern
durch Strumpfhosen und Unterwäsche durch. In vielen Fällen kam es zu
Taschendiebstählen, Handtaschenraubdelikten." Und: "Tagtäglich erreichen
uns massenweise Telefonanrufe und Strafanzeigen aus dem ganzen
Bundesgebiet, wo sich Polizeibehörden und Geschädigte melden."
3. Die Räumung
Gegen
23 Uhr drängen immer mehr "Menschen mit Migrationshintergrund" auf das
bereits gut gefüllte Areal um Hauptbahnhof und Dom, erinnert sich der
bereits zitierte Bundespolizist. "Frauen mit Begleitung oder ohne
durchliefen einen im wahrsten Sinne ,Spießrutenlauf' durch die stark
alkoholisierte Männermasse, wie man es nicht beschreiben kann." Der
zuständige Leiter der Bundespolizei vor Ort wird vom Zugführer der
Landespolizei kontaktiert, als "das Werfen und Abschießen" von Feuerwerk
in die Menschenmenge zunimmt. Beide Polizisten kommen zu der
Einschätzung, "dass die uns gebotene Situation (Chaos) noch zu
erheblichen Verletzungen, wenn nicht sogar zu Toten führen würde".
Nun
passiert das, was die Kölner Polizeispitze am anderen Morgen die
"ungeplante Feierpause" nennen wird. Nach Rücksprache mit der
Gesamteinsatzleitung der Landespolizei beschließen Bundes- und
Landespolizei, gemeinsam die Domtreppe und den Bahnhofsplatz zu räumen.
Was sich als schwierig erweist, denn die Menge wird immer besoffener,
bekiffter, rabiater – und größer. Im Bereich Roncalliplatz, Domplatte
und Bahnhof werden laut einem Bericht der Landespolizei um 22.48 Uhr
"mehrere Tausend Personen (genaue Verifizierung nicht möglich) mit
Migrationsbezug (vermutlich mit Flüchtlingsbezug) festgestellt". Allein
auf dem Bahnhofsplatz samt Domtreppe "hielten sich ca. 1000 bis 15000
Personen (der optischen Erscheinung nach überwiegend männliche Personen
nordafrikanischer bzw. arabischer Herkunft im Alter zwischen ca. 15 und
35 Jahren) auf". Diese hätten sich "total enthemmt" verhalten, seien
"überwiegend erheblich alkoholisiert bzw. anderweitig berauscht" gewesen
und hätten massiv pyrotechnische Erzeugnisse gezündet. Und: "Auf
Ansprachen reagierten die Personen überwiegend mit Unverständnis und von
der polizeilichen Ansprache völlig unbeeindruckt."
Die
Bundespolizei schildert die Lage ganz ähnlich. Auch sie hat im
Hauptbahnhof große Probleme. Dort hält sich "ebenfalls eine erhebliche
Anzahl von Personen der beschriebenen Klientel auf", auch dort komme es
zu "schwierigen Einsatzsituationen".
Kurz
nach 23.30 Uhr Lautsprecherdurchsagen. Die Bundespolizei sperrt die
Aus- und Eingänge des Hauptbahnhofs, beginnt "mit der Räumung der
Domtreppe (von oben nach unten)". Dann ist der Bahnhofsvorplatz dran,
die Menge wird in die Dompropst-Ketzer-Straße abgedrängt. Ohne Gewalt
geht das nicht ab, wie der Bundespolizist berichtet: "Im Verlauf der
Räumung wurden die Einsatzkräfte Land und Bund immer wieder mit
Feuerwerkskörpern beschossen und mit Flaschen beworfen." Die Polizei
wendet nun "einfache körperliche Gewalt" an. Das Vorgehen wird weiter
erschwert aufgrund "des offensichtlichen massiven Alkoholgenusses und
anderer berauschender Mittel (z.B. Joint)".
Um
viertel vor zwölf ist die Hälfte des Platzes am Dom geräumt. Dann
knallen die Korken. Nach Mitternacht besteigen mehrere Personen die
Gleise der Hohenzollernbrücke, es kommt "zu erheblichen Einschränkungen
im Zugverkehr" und die Bundespolizei wird dort zusätzlich gebunden.
Gegen 1.15 Uhr ist die Räumung abgeschlossen – nach fast zwei Stunden.
"Die Kräftelage", resümiert später die Landespolizei, "war für die
Durchführung dieser Maßnahmen gerade ausreichend: Ohne eine
Unterstützung der Kräfte Bundespolizei wäre eine sachgerechte
Durchführung nicht möglich gewesen."
Weil
der Platz von Glasscherben und Feuerwerkskörpern übersät ist, wird
mitten in der Nacht die Stadtreinigung angefordert. Nun öffnet die
Bundespolizei die Zugänge zum Hauptbahnhof teilweise wieder, "um den
Personendruck aus dem Hauptbahnhof zu nehmen".
Während
die Landespolizei von einer Räumung "ohne besondere Vorkommnisse"
berichtet, erinnert sich der Bundespolizist etwas anders: "Im weiteren
Einsatzverlauf kam es immer wieder zu mehrfachen körperlichen
Auseinandersetzungen vereinzelter Personen wie auch Personengruppen,
Diebstählen und Raubdelikten an mehreren Ereignisorten gleichzeitig."
Konkret: "Im Einsatzverlauf erschienen zahlreiche weinende und
schockierte Frauen/Mädchen bei den eingesetzten Beamten und schilderten
sexuelle Übergriffe durch mehrere männliche Migranten/-gruppen. Eine
Identifizierung sei leider nicht mehr möglich gewesen." Und weiter: "Die
Einsatzkräfte konnten nicht allen Ereignissen, Übergriffen, Straftaten
usw. Herr werden, dafür waren es einfach zu viele zur gleichen Zeit.
[...] Zu Spitzenzeiten war es den eingesetzten Kräften nicht möglich,
angefallene Strafanzeigen aufzunehmen."
4. Bilanz der Nacht
Das
neue Jahr ist eine halbe Stunde alt, als der Zugang zum
Bahnhofsvorplatz und zur Domtreppe "wieder geordnet zugelassen" wird.
Mehrere größere Gruppen der "beschriebenen Klientel (insgesamt ca. 100
bis 200 Personen)" halten sich noch im Eingang des Hauptbahnhofs auf.
Die Beamten wissen, "dass es innerhalb dieser ,Verengungen' bereits vor
der Räumung des Bahnhofsplatzes zu zahlreichen Diebstahls- und
Sexualdelikten (durch Begrapschen) gekommen war". Sie erhöhen ihre
Präsenz am Bahnhof. Sie führen "Gefährderansprachen" durch. Sie sprechen
Platzverweise aus.
Im Laufe der Nacht
stelltdie Landespolizei 71 Personalien fest, spricht zehn Platzverweise
aus, nimmt elf Personen in Gewahrsam und vier fest und stellt 32
Strafanzeigen. All dies wird im CEBIUS-System der Einsatzleitstelle der
Polizei eingespeist. Die Bundespolizei bilanziert außerdem 44
Diebstähle, acht Körperverletzungen, zwei Landfriedensbrüche, drei
Raubtaten und erteilte 979 Platzverweise. Dazu kommen 13 sexuelle
Nötigungen und 20 Körperverletzungen. Aktuell teilt die
Ermittlungsgruppe "Neujahr" mit: Es gibt es jetzt 379 Strafanzeigen, in
etwa 40 Prozent der Fälle wird wegen Sexualdelikten ermittelt.
Großenteils handele es sich um Asylsuchende und Personen, die illegal im
Land sind.
Vermutlich geschah manches
im Tumult hektisch. Der Türsteher Jurcevic berichtet von
Festgenommenen, die über eine Stunde auf dem Boden gelegen hätten, ohne
das diese in die überfüllten Sammelstellen hätten gebracht werden
können, schließlich habe man sie laufen lassen, woraufhin sie
Polizeifahrzeuge bespuckt hätten.
Dennoch
– der Kölner Polizeispitze lag genügend Wissen vor, um sich ein Bild
von Taten und Tätern zu machen. Die Berichte von Landes- und
Bundespolizei datieren vom 2. und vom 4. Januar. Noch am 7. Januar
erklärte der Leitende Kölner Polizeidirektor Temme der "Welt am
Sonntag", über die Zahl der Festnahmen könne man nichts Genaues sagen:
Natürlich habe es Festnahmen und Ingewahrsamnahmen gegeben. "Ich kann
aber keine konkreten Zahlen nennen, da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
klar ist, welche dieser Festnahmen dem Komplex um die Tumultlage
zuzuordnen sind." Ferner müsse man mehrere Stunden Videos auswerten.
"Und wir wollen Vorverurteilungen verhindern. Was ich auf keinen Fall
möchte, ist eine Diskussion über 'gute' oder 'schlechte' Polizei. Die
Abstimmung zwischen Bundes- und Landespolizei hat an diesem Abend sehr
gut funktioniert."
Am Einsatz
beteiligte Polizisten verstehen nicht, warum ihre Führung so tut, als
tappe man im Nebel. Empört sind sie, als Bundesinnenminister Thomas de
Maizière die Kölner Polizei öffentlich scharf kritisiert. Ihr
Polizeipräsident Wolfgang Albers erklärt noch am 5. Januar, man wisse
nicht, um wen es sich bei den Tätern der Silvesternacht handele.
Daraufhin packt ein Polizist gegenüber der "Welt am Sonntag" aus: "Es
wurden, anders als öffentlich dargestellt, sehr wohl von zahlreichen
Personen die Personalien aufgenommen", die zum Mob vor dem Bahnhof
gehört hatten. Daher sei der Polizei auch bekannt, um welche Täter es
sich handele.
Rund 100 Personen seien
kontrolliert, etliche der Wache zugeführt und in Gewahrsam genommen
worden. Die Überprüfungen ergaben: "Nur bei einer kleinen Minderheit
handelte es sich um Nordafrikaner, beim Großteil der Kontrollierten um
Syrer." Das habe sich aus vorgelegten Dokumenten ergeben. Viele der
Kontrollierten hielten sich erst seit wenigen Monaten in Deutschland
auf. "Die meisten waren frisch eingereiste Asylbewerber. Sie haben
Dokumente vorgelegt, die beim Stellen eines Asylantrags ausgehändigt
werden." Die Aufnahmestelle übergibt dem Asylbewerber dann eine Kopie
des Asylantrags.
In einem weiteren
Punkt widersprechen in der Silvesternacht eingesetzte Beamte der
offiziellen Darstellung. Es hieß immer, den Tätern sei es primär darum
gegangen, Passanten zu bestehlen, die sexuellen Belästigungen seien nur
nebenbei passiert. "In Wirklichkeit", so Kölner Polizisten, "verhielt es
sich genau umgekehrt. Vorrangig ging es den meist arabischen Tätern um
die Sexualstraftaten. Ein Gruppe von Männern umkreist ein weibliches
Opfer, schließt es ein und vergreift sich an der Frau." Inzwischen hat
die Polizei bei Tatverdächtigen eine Art Spickzettel gefunden, auf die
Sätze wie "Ich will ficken" gekrakelt sind, in Arabisch und Deutsch
übersetzt – auch das weist in diese Richtung.
Nun
kommen immer mehr Details ans Licht. Die Mär von der friedlichen Nacht,
die Lüge von der Unwissenheit der Behörden, die Trennung von
Flüchtlingen und Tätern der Silvesternacht ist hinfällig. Eine Woche
nach seiner "Feierpause"-Desinformation vom Neujahrstag tritt
Polizeipräsident Wolfgang Albers zurück. Aber auch im Bund stellen sich
Fragen: Tatsächlich hatte die Bundespolizei, die Innenminister De
Maizère unterstellt ist, bereits in der Silvesternacht über schwere
Pannen berichtet. "Der Kräfteansatz für den Gesamteinsatz war zu
gering", heißt es in einem vertraulichen Papier vom 31. Dezember. Der
Bericht spricht bereits eindeutig von Migranten.
5. Köln überall?
Die Nacht von Köln ist kein isoliertes Ereignis. Fast zeitgleich wurden ähnliche Vorfälle in der Silvesternacht in Hamburg
bekannt. Erst waren es nur 27 Frauen, die dort Anzeige erstatteten. Am
6. Januar stieg die Zahl auf 53, am folgenden Tag waren es weitere 40,
inzwischen liegen der Polizei bereits 108 Strafanzeigen von Frauen vor,
die sexuell belästigt oder bestohlen worden sein sollen. Augenzeuginnen
berichteten, dass fünf bis zehn Männer eine Frau umringten, sie
anfassten, ihr unter den Rock
griffen, johlten und sie beleidigten. Auf dem Hans-Albers-Platz an der
Reeperbahn, der Großen Freiheit und auf dem Jungfernstieg kam es zu
Attacken von Männern, die die Frauen als "südländisch" beschrieben. Auch
in Hamburg hatte die Polizei die Lage offenkundig nicht im Griff. Ein
Sprecher gab zu, dass Beschwerden von Kiez-Besuchern eingegangen seien,
die Anzeige erstatten wollten – sie wurden an der Davidwache aber
abgewimmelt. In einer ersten Meldung der Polizei am Neujahrsmorgen war
von den massenhaften Angriffen auf Frauen noch nichts zu lesen gewesen.
Mittlerweile
stellen immer mehr Zeugen der Polizei private Handy-Videos und -Fotos
zur Verfügung, um Tatverdächtige zu ermitteln. Ob sich daraus
gerichtsfeste Beweise ergeben werden, ist zweifelhaft. Sollte sich
nämlich der Verdacht erhärten, dass es sich bei einem Teil der Männer um
Flüchtlinge handeln, sieht der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher
Kriminalbeamter, Jan Reinecke, schwarz. Minderjährige, unbegleitete
Flüchtlinge halten die Polizei seit Monaten auf Trab. Reinecke sagte:
"Wir wissen nicht, wo sie herkommen und wo sie sind."
Und
auch aus anderen Orten werden Vorfälle bekannt. Wie die "Welt am
Sonntag" erfuhr, setzte sich am 6. Januar ein 18-jähriger Syrer auf den
Schoß eines 15-jährigen Mädchens, das am Gleis 16 des Hauptbahnhofs in
Düsseldorf wartete, und begann, es sexuell zu belästigen. Die
Bundespolizei schritt ein, nahm den Syrer und zwei Iraker fest; der
Syrer sitzt in U-Haft. Es war ein hilfsbereiter Marokkaner, der die
Polizei rief und dem Mädchen beistand.
Köln
ist womöglich die spektakuläre Spitze von etwas, das wir noch kaum
übersehen. Da ist die Ausbreitung rechtsfreier No-go-Zonen in deutschen
Städten wie in Berlin-Neukölln,
Duisburg-Marxloh oder Bremen oder eben an Silvester in Köln. Aber da
ist auch so etwas wie fürsorgliche Täuschung der Öffentlichkeit – man
mutet den Bürgern die Wahrheit nicht zu.
Die
politischen Folgen der Exzesse von Köln sind noch nicht absehbar. Aber
die Tonlage der Akteure in Berlin hat sich verändert. Selbst die
Kanzlerin spricht von einem "Paukenschlag". Sie weiß, dass ihre "Wir
schaffen das"-Rhetorik in der Nacht von Köln faktisch außer Kraft
gesetzt wurde. Was Pegida und AfD nicht geschafft haben, hat der außer
Rand und Band geratene Mob am Domplatz bewerkstelligt: Ein
Generalverdacht macht sich breit. Wen holen wir da gerade ins Land – und
was hat das für Folgen?
Plötzlich
scheinen sich Prognosen zu bewahrheiten, die Sicherheitsbeamte schon im
Herbst getätigt hatten. "Der hohe Zuzug von Menschen aus anderen
Weltteilen wird zur Instabilität unseres Landes führen", erklärte im
November ein mit Sicherheitsfragen vertrauter Spitzenbeamter. Und in
einem Non-Paper, das im Innenministerium kursierte, heißt es: "Wir
importieren islamistischen Extremismus, arabischen Antisemitismus,
nationale und ethnische Konflikte anderer Völker sowie ein anderes
Rechts- und Gesellschaftsverständnis."