26.6.16

 

Zerbricht Europa, Herr Portisch?

Nach dem Brexit blickt Hugo Portisch, der dem österreichischen Fernsehpublikum jahrzehntelang die Welt erklärt hat, in die Geschichte und in die Zukunft Europas. Im Gespräch mit Conny Bischofberger bewertet er die Entscheidung der Briten, zeigt die Fehler der EU auf und warnt vor Populisten, die "Ängste geschürt und die Menschen mit Lügen verführt haben".

"Krone": Hätten Sie es für möglich gehalten, dass eine knappe Mehrheit der Briten nicht mehr zur Europäischen Union gehören will?
Portisch: Ja, Sepp Riff und ich haben 1970 eine große TV- Dokumentation erstellt: "Englands Weg nach Europa". Da haben wir mit vielen Menschen in England gesprochen, auch vielen Politikern, und die Skepsis hat in allen Gesprächen überwogen. Sie sind widerwillig in die EU gegangen und blieben widerwillig dabei und waren nur durch dauernde Konzessionen dort zu halten.
"Krone": Welches Gefühl verursacht diese Entscheidung in Ihnen als erfahrenem Kenner der Zeitgeschichte?
Portisch: Eine falsche Entscheidung, herbeigeführt von Populisten, die Ängste geschürt und die Menschen mit Lügen verführt haben.
"Krone": Ihr Buch "Was jetzt" war ein Plädoyer für die EU als Friedens- und Solidargemeinschaft. Was hat sie falsch gemacht, dass so etwas möglich ist?
Portisch: Das habe ich in meinem Buch "Was jetzt" bereits sehr beklagt: Die EU hält ihre eigenen Regeln nicht ein, nämlich alle Angelegenheiten, die die Länder selbst regeln können, sind den Ländern zu überlassen, und nur die großen politischen Ziele, die gemeinsam gelöst werden müssen, sind von der EU zu erledigen. Das Prinzip heißt Subsidiarität.
"Krone": Die ganze Welt ist geschockt, das Pfund sank auf einen historischen Tiefstand, die Aktienmärkte spielten verrückt, Premier Cameron trat ab. Zerbricht Europa?
Portisch: Nein, der Brexit ist zu verkraften. Zerbrechen kann die EU aber an der dauernden Verweigerung an Solidarität durch die früheren Ostblockstaaten.
"Krone": Der designierte Kandidat der US- Republikaner, Donald Trump, sagt in Schottland: Die Briten hätten "wieder die Kontrolle über ihr Land" zurückgewonnen. Steht eine Rückkehr zu den Nationalstaaten bevor?
Portisch: Die Tendenz dazu ist jedenfalls vorhanden.
"Krone": Am Dienstag und Mittwoch findet der EU- Gipfel in Brüssel statt - mitten in der größten Krise dieses Nachrkiegseuropas. Was müssen Merkel und Co. jetzt tun?
Portisch: Eine gute Scheidungslösung mit England aushandeln, aber den Schaden deutlich machen, den England sich selbst zugefügt hat.

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