27.4.17
Geschichte - ein Prozess der Zivilisation?
War die europäische Geschichte der letzten
tausend Jahre ein langsamer aber kontinuierlicher Prozess der
Verfeinerung und Kultivierung der Wahrnehmung, der Lebenswelten und der
Praktiken, ein Prozess der Zivilisation? Der renommierte Soziologe und
Historiker Norbert Elias (1897-1990) hat das mit dem Blick auf die sich
immer weiter differenzierende Arbeitsteilung und das feinere und
dichtere Interdependenzgeflecht angenommen.
Die These vom Zivilisationsprozess konstatiert, dass die Beziehungen der Menschen untereinander in der Frühen Neuzeit friedlicher und kultivierter geworden sind. An die Stelle von omnipräsenter Gewaltandrohung und Gewaltanwendung, die in der Feudalgesellschaft gegeben waren und die das Fundament für partiellen und temporären Frieden darstellten, trat die Möglichkeit eines Friedens auf der Grundlage sich herausbildender Staaten mit legislativer, juridischer und exekutiver Gewalt.
Die "Sitten" wurden in diesem Zivilisationsprozess elaboriert und verfeinert - Scham- und Peinlichkeitsschwellen wurden größer. Im gesellschaftlichen Gefüge bewirkte der Übergang von einer vertikalen Struktur der Abhängigkeiten zwischen Handelnden in überschaubaren Beziehungen zu immer komplexeren und differenzierten Interdependenzen eine Versachlichung. Im psychosozialen System wurde das "Es" (Triebe und Instinkte) der Menschen geschwächt und das "Über-Ich" (Werte und Normen) gestärkt.
In der Geschichte manifestiert sich sowohl dieser, die Mentalitäten betreffende Zivilisationsprozess als auch die Tatsache, dass die "Kruste" der Zivilisation dünn war und ist. Hubert Christian Ehalts Gesprächspartner bei dieser "Wiener Vorlesung" sind Margareth Lanzinger vom Institut für Geschichte der Universität Wien und Markus Reisenleitner vom Department of Humanities der York University, Toronto/Kanada.
Ö1
Die These vom Zivilisationsprozess konstatiert, dass die Beziehungen der Menschen untereinander in der Frühen Neuzeit friedlicher und kultivierter geworden sind. An die Stelle von omnipräsenter Gewaltandrohung und Gewaltanwendung, die in der Feudalgesellschaft gegeben waren und die das Fundament für partiellen und temporären Frieden darstellten, trat die Möglichkeit eines Friedens auf der Grundlage sich herausbildender Staaten mit legislativer, juridischer und exekutiver Gewalt.
Die "Sitten" wurden in diesem Zivilisationsprozess elaboriert und verfeinert - Scham- und Peinlichkeitsschwellen wurden größer. Im gesellschaftlichen Gefüge bewirkte der Übergang von einer vertikalen Struktur der Abhängigkeiten zwischen Handelnden in überschaubaren Beziehungen zu immer komplexeren und differenzierten Interdependenzen eine Versachlichung. Im psychosozialen System wurde das "Es" (Triebe und Instinkte) der Menschen geschwächt und das "Über-Ich" (Werte und Normen) gestärkt.
In der Geschichte manifestiert sich sowohl dieser, die Mentalitäten betreffende Zivilisationsprozess als auch die Tatsache, dass die "Kruste" der Zivilisation dünn war und ist. Hubert Christian Ehalts Gesprächspartner bei dieser "Wiener Vorlesung" sind Margareth Lanzinger vom Institut für Geschichte der Universität Wien und Markus Reisenleitner vom Department of Humanities der York University, Toronto/Kanada.
Ö1