7.9.17
Vorgegaukelte Versprechen
Ach, es ist wieder einmal so weit. Der Sommer ist vorbei, die Zeit des
permanenten Wortbruchs, der vorgegaukelten Versprechen, der
unverfrorenen Lügen, der plumpen Täuschungsmanöver ist gekommen. In
Österreich und Deutschland tobt der Wahlkampf. Inflationär werden die
Wörter Fairness und Gerechtigkeit in die politische Arena geworfen.
Kindergartenplätze werden garantiert, Lehrer aufgestockt, leistbare
Mieten in Aussicht gestellt, Mindestlöhne versprochen, Bildungspläne
präsentiert, Pensionistenbriefe geschrieben, der Verwaltungsapparat
entbürokratisiert, die Wirtschaft entlastet, die Umwelt saniert, die
Korruption bekämpft, das Gesundheitssystem reformiert, die Sicherheit
erhöht, die Grenzen geschlossen, Scheinasylanten ausgewiesen,
Sozialmissbrauch abgestellt, Reichensteuern erfunden. Zusammenfassend:
Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Von früh bis spät donnern
auf die unbedarften Bürger die Slogans der gelebten Wählertäuschung,
Milch und Honig werden in unseren Ländern fließen. Aus politischen
Siebenschläfern und Funktionärstachinierern werden plötzlich hyperaktive
Energiebündel, die ihre unverfrorene Scheinheiligkeit zur olympischen
Disziplin erheben. Um den eigenen wohldotierten Sitz in den Parlamenten
zu retten, ist den Wahlkämpfern kein Versprechen auf Kosten der
Steuerzahler zu teuer! Die Kandidaten setzen eben auf das
Stockholm-Syndrom der Wähler. Aber Achtung: Nach dem Zuckerbrot des
Wahlkampfs kommt mit dem Wahltag wie immer die Peitsche des gebrochenen
Wortes. Denn nach der Wahl sind die gedroschenen Phrasen rasch
vergessen: Kindergartenplätze werden gekürzt, Schulen geschlossen,
Steuern werden erhöht, Mindestlöhne auf die lange Bank geschoben, die
Pensionserhöhungen durch die Inflation gefressen. Die Bildungspläne
landen in der Rundablage, der Sozialmissbrauch feiert weiter fröhli-che
Urstände, das Gesundheitssystem entwickelt sich von der Zwei- zur
Drei-Klassen-Medizin, die Vetternwirtschaft hält wieder Einzug. Die
schönen Worte vor der Wahl werden nach dem Wahltag zu Schall und Rauch.
Aber zum Lügen gehören halt immer zwei. Politiker, die ungeniert das
ewige Schlaraffenland predigen, und ein Volk, welches sich wehrlos
täuschen lässt, statt endlich Neues zu wagen!
Gerald Grosz
Gerald Grosz