9.1.18

 

Steuer könnte systemisches Risiko minimieren

Wäre ein Kredit bei einer Bank teurer, deren Zusammenbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit das gesamte Finanzsystem in Mitleidenschaft zöge, dann würde das momentan instabile System deutlich stabilisiert. Zu diesem Ergebnis gelangen Wiener Komplexitätsforscher.
Nicht nur im Zuge der Diskussion, wie am besten mit der maroden Hypo Alpe Adria Bank zu verfahren sei, sondern schon während der gesamten Finanzkrise hatte das Wort "systemrelevant" Hochkonjunktur. Damit ist das Risiko gemeint, das ein Totalausfall eines Finanzakteurs, wie etwa einer Bank, für das Funktionieren des gesamten Finanzsystems bedeuten würde - in der Wissenschaft spricht man von "systemischem Risiko".

"Der Finanzmarkt ist ein komplexes System und es ist speziell eines, wo es fantastische Daten gibt, weil wir für jedes Gut zu jeder Millisekunde einen eindeutigen Preis haben", erklärte Stefan Thurner vom Institut für Wissenschaft komplexer Systeme der Medizinischen Universität Wien und dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Gespräch mit der APA.

Die Forscher haben sich in Kooperation mit der Nationalbank bereits in vorhergehenden Studien mit dem Netzwerk zwischen den heimischen Banken beschäftigt. Dieses verändert sich mit jeder Transaktion. Kredite, die die Banken einander gewähren, schaffen neue Verbindungen, ein zurückgezahlter Kredit beendet eine. Zusätzlich konnten sie völlig anonymisiert die Geldflüsse der größten Konten der Republik analysieren. "Wir haben also Erfahrung in den letzten zehn Jahren über Bankennetzwerke gesammelt", so Thurner.

Weniger Risiko für alle

Da das Finanzsystem so genaue Daten über sich selbst erzeugt, ist es den Wissenschaftlern gelungen, ein mathematisches Maß für das systemische Risiko einzelner Akteure und die anzunehmenden Kosten, die ein Totalausfall mit sich brächte, zu entwickeln. Aufgrund dessen könne man nun zu jedem Zeitpunkt sagen, welche Bank mit welchem Risiko für die Allgemeinheit behaftet ist, denn bei einem Ausfall springe seit geraumer Zeit ja fast automatisch der Staat - also der Steuerzahler - ein, so Thurner. Dass sich an diesen Verhältnissen bisher nichts geändert hat, sei ärgerlich, weil "von wissenschaftlicher Seite sonnenklar ist, was zu tun ist".

Die Idee der Forscher ist, dass es günstiger sein sollte, sich Geld von mit wenig systemischem Risiko behafteten Finanzakteuren auszuborgen. Würde umgekehrt eine variable Transaktionssteuer auf Geldflüsse von Institutionen mit hohem Risiko fällig, dann würde das Prinzip von Angebot und Nachfrage automatisch für eine Risikominimierung sorgen. Denn die Kreditnehmer gingen dorthin, wo die Steuer geringer und somit das Geld billiger ist. Die Folge wäre ein Umbau des Finanznetzwerks und ein insgesamt geringeres Risiko für einen Kollaps. "Es ist eine relativ einfache Idee", meint Thurner. Das jeweils aktuelle systemische Risiko könne mit einem Algorithmus berechnet werden, "der nicht viel komplizierter ist als der Google-Suchalgorithmus".

Die Berechnungen der Forscher ergaben zudem, dass im Gegensatz zu der oft diskutierten Tobin-Steuer auf jede Finanztransaktion, dieser Ansatz Kredite insgesamt nicht verteuern würde und es auch zu keiner Kreditklemme komme. Thurner: "Das ist ein komplett stimmiges, in sich geschlossenes System. Es zahlt der, der etwas verursacht, und nicht immer der Steuerzahler." Wenig überraschend, kamen aus dem Bankensektor bisher wenig positive Reaktionen, da sich unter diesen Voraussetzungen Profitmöglichkeiten einschränken würden, so der Forscher.

ORF

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